Samstag, 24. Januar 2009
 
Zum Urteil im Islamistenprozeß PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Hans Zeger   
Montag, 17. März 2008

Die Verurteilung von Mohammed Mahmoud und seiner Frau sei problematisch, meint der Datenschutzexperte Zeger, der den Umgang der Justiz mit dem Medium Internet kritisiert.


Mit diesem Prozess wurde ein Verfahren beendet, das eine völlig neuartige Mischung aus Gesinnungs- und Propagandaverfahren, Kommunikationsüberwachung und Internet-Sachbeweisen darstellte - die Ermittlungsorgane (BVT, SEO) trugen große Datenmengen zusammen, die einer nüchternen Beurteilung nicht stand halten - die Sicherheitsbehörden haben eine große Chance vertan, Sinnhaftigkeit und Effizienz von Internetüberwachung zu beweisen - wer in das Visier derartiger Ermittlungsmethoden kommt dürfte es sehr schwer haben, seine Unschuld zu beweisen - auf die Eigentümlichkeiten des Medienraums Internet ist die demokratische Gesellschaft nicht ausreichend vorbereitet

Das Verfahren wirft - unabhängig von Schuld oder Unschuld der Angeklagten (bis Rechtskraft der Urteile hat die Unschuldsvermutung zu gelten) – eine Fülle grundsätzlicher Fragen auf, die in folgende Themenkreise zusammengefasst werden können:

- Ergebnisse und Verwertbarkeit der technischen Überwachung
- Rolle und Funktion elektronischer Kommunikation, insbesondere des Mediums Internet
- Zuverlässigkeit von Internet-Sachbeweisen
- Probleme der Beweislastumkehr
- die Rolle von Propaganda und Meinungsäußerung als Delikt
- Die Qualität der BVT-Überwachung und dessen Umgehbarkeit

Im Verfahren stand die Gesinnung des Angeklagten zur Beurteilung (so der Richter am letzten Prozesstag). Damit wurden wesentliche Teile der Europäischen Menschenrechtskonvention, insbesondere Art. 8 (Privatsphäre) und Art. 10 (Meinungsfreiheit) umfassend relativiert, es ging um die Bewertung von Ideologien und oppositioneller Medienarbeit. Weiters wurden erstmals reine Internetaktivitäten und deren Überwachung verhandelt.

Zusammenfassend stellt sich die Frage, ob eine demokratische Gesellschaft ausreichend auf einen Medienraum vorbereitet ist, in dem jede nur denkbare, auch einseitige Meinung propagiert werden kann? Die ernüchternde Antwort nach rund 15 Jahren öffentlich zugänglichem Internet und diesem Prozess lautet offenbar NEIN.


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